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Ein Jahr Hass-im-Netz-Gesetz

Erfahrungen aus dem Kinderschutz

Mit Anfang 2021 ist das Gesetzespaket „Hass im Netz“ (HiN) in Kraft getreten (hier haben wir damals darüber berichtet). Damit soll klargestellt werden, dass auch im Internet der Rechtsstaat seine Gültigkeit hat. Die Maßnahmen brachten u.a. eine Ausweitung des Anspruchs auf Prozessbegleitung auf Delikte wie z.B. Verleumdung oder Beleidigung im Internet mit sich. Im Jahr 2021 konzentrierten sich die Anfragen bei Straftaten mit Internet-Bezug allerdings noch auf Delikte, die bereits vor dem Gesetzespaket mit dem Recht auf Prozessbegleitung verbunden waren (Drohungsszenarien, Fortdauernde Belästigungen, Kinderpornographie etc.). 

Mit dem HiN-Gesetz wurde aber auch einer langjährigen Forderung aus der Prozessbegleitung im Kinderbereich Rechnung getragen, da nunmehr Minderjährige auch bei Zeugenschaft von Gewalt im nahen Umfeld Anspruch auf Prozessbegleitung haben. Wissend darum, dass die psychischen Folgen miterlebter Gewalt denen direkter Gewalterfahrungen gleichzusetzen sind, ist es umso wichtiger, dass für betroffene Minderjährige nun auch entsprechende Unterstützung gesetzlich verankert wurde. 

Gerade wenn Elternteile auch selbst Opfer waren, ist eine spezialisierte und eigene Anlaufstelle für die mitbetroffenen Kinder essentiell, um deren Belastungen und Loyalitätskonflikte aufzufangen und auch Raum zu geben, von einer etwaigen direkten Betroffenheit erzählen zu können. So zeigt sich auch hier, wie wichtig und entlastend unser duales System ist und wirkt (d.h. dass jedes Kind und auch der gewaltbetroffene Elternteil in seiner Elternrolle eine eigene Ansprechperson und somit individuelle Unterstützung erhält). Eine Ausweitung der Rechte in Angleichung an Minderjährige im Opferstatus wäre wünschenswert, um eine noch umfassendere psychosoziale wie auch juristische Begleitung auch für diese Anspruchsgruppe zu ermöglichen.                                                                                                  

Die Nachfrage nach Prozessbegleitung zeigte sich im vergangenen Jahr wieder sehr stark, viele Anzeigen betrafen chronische innerfamiliäre Gewalttaten, welche durch die Lockdowns und den Wegfall institutioneller Anbindung der betroffenen Kinder und Jugendlichen noch mehr Verzögerung in der Offenlegung erfuhren. Rund 10 % unserer Prozessbegleitungsklient*innen im Jahr 2021 entfielen dabei auf die neue Anspruchsgruppe – Kinder, die Gewalt unter/an Elternteilen und/oder Geschwistern miterleben mussten.

Gerade in diesen Begleitungen konnten wir auch sehr positive Erfahrungen in der Kooperation mit der Justiz machen – trotz der oft leider erst sehr kurzfristigen Installierung der Prozessbegleitung gelangen Fallaustausch und rasche Koordination möglichst kindgerechter und schonender Befragungssettings mit den zuständigen Richter*innen.

Dadurch konnten nicht nur Gefahren wie eine Retraumatisierung durch Befragungen vor Gericht vermindert werden, sondern Prozessbegleitung im besten Fall auch das Erleben von Wiederermächtigung und Handlungsfähigkeit stärken und somit protektiv wirken.

Johanna Zimmerl
die möwe Wien