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Teleberatung im psychosozialen Bereich

Das 7. Symposium zur Kinder- und Jugendgesundheit des Dachverbands der Sozialverbandsträger im vergangenen Oktober beschäftigte sich mit aktuellen Herausforderungen und Entwicklungen in der Versorgung von Kindern- und Jugendlichen. Geschäftsführerin und fachliche Leiterin der möwe Maga Hedwig Wölfl sprach bei dieser Veranstaltung über telemedizinische Beratungen und Behandlungen im psychosozialen Bereich. 

Hier wollen wir Sie an den Inhalten ihres Vortrags teilhaben lassen: 

Fachkräfte im psychosozialen Bereich nehmen bezüglich der Anwendung neuer Medien in ihrer Arbeit üblicherweise eine kritische Haltung ein. Die Pandemie und ihre Folgen haben jedoch aufgezeigt, dass manchmal keine persönlichen Beratungs- und Therapiestunden stattfinden können. In solchen schwierigen Zeiten des Ausnahmezustands sind Kinder und Jugendliche insbesondere darauf angewiesen, dass ihnen jemand zuhört und ihre Ängste nimmt. Was bisher im „normalen“ Setting geholfen hat, kann weiterhin helfen. Es muss jedoch anders angeboten werden – remote, und dennoch nahe.

Die Potenziale psychosozialer Beratungs- und Therapieangebote im digitalen Setting liegen in der örtlichen und zeitlichen Flexibilität sowie der Niedrigschwelligkeit und Anonymität. Dadurch können theoretisch mehr Personen erreicht werden. Zudem geht man davon aus, dass sich Klient*innen während einer Onlinetherapie schneller selbst öffnen können und weniger Scham empfinden. Aspekte wie technische Störungen, (fehlende) Datensicherheit, Erschöpfung (focus-fatigue), Kontrollverluste seitens der Betreuer*innen (forced-field), die fehlende physische Interaktion und die Reduktion der Sinneswahrnehmungen (freedom-freeze) können jedoch zu Herausforderungen werden. Außerdem gelangen Teleberatung und -behandlung bei bestimmten Störungsbildern, Suizidalität sowie in akuten Krisen schnell an ihre Grenzen.

In den Kinderschutzzentren der möwe war eine der größten Herausforderungen die Tatsache, dass einige Familien – insbesondere jene mit besonders schwierigen Problematiken – „weggebrochen“ sind und nicht mehr erreichbar waren. Zudem sind Gewalt und Kindeswohlgefährdung aus der Ferne schwer einschätzbar. Im Allgemeinen war die Grundstimmung jedoch trotz Covid 19 positiv: Für die Klient*innen sei es in der ersten Zeit der Quarantäne eine große Entlastung gewesen, jemanden zu sehen. Die meisten Familien, Kinder und Jugendlichen seien gut erreichbar gewesen. Mit der video- oder telefongestützten Psychotherapie habe man viele positive Erfahrungen gemacht: Teilweise sei fast ein intensiveres Arbeiten als im persönlichen Setting möglich, was als bereichernd empfunden worden sei. Beziehungsaufbau und Intimität scheinen demnach trotz räumlicher Distanz möglich zu sein. Außerdem bekommen Betreuer*innen im digitalen Setting neue Einblicke in die Lebenswelt der Klient*innen.

Ein Beispiel für eine als positiv empfundene digitale Umsetzung einer (ursprünglich für Präsenzeinheiten geplanten) klinisch-psychologischen Gruppenintervention innerhalb der möwe ist das Projekt „Aufblühen“. Dieses Projekt zur Stärkung der psychosozialen Gesundheit und zur Verhinderung der Entstehung bzw. Chronifizierung einer Traumafolgestörung oder anderer psychischer Störungen führte zu einer besseren Stressverarbeitung (subjektive Wahrnehmung) der 8 teilnehmenden Kinder und Jugendlichen.

Digitale psychosoziale Beratung und Therapie mögen zwar keine Dauerlösung darstellen, können aber eine wirksame Alternative und ein Zusatzangebot sein. Zukünftig könnte durch digitale Angebote die Elternarbeit erleichtert werden (v. a. für Eltern, die an entfernteren Orten wohnen und Therapieausfälle (z. B. durch Krankheit) könnten abgemildert werden. Es ist wichtig, auch in schwierigen Zeiten für die Kinder und Jugendlichen da zu sein, damit sie sich in allen Lebensbereichen gesund entwickeln können.

 

Literatur

Bauer, S. (2005). E-Mental-Health: Neue Medien in der psychosozialen Versorgung. Psychotherapeut, 50, 7–15.

Berendsen, P. (2020). Why am I so Tired? Clinician's Guide to Online Therapy. Abgerufen: https://www.acesconnection.com/blog/why-am-i-so-tired-clinician-s-guide-to-online-therapy

Kühne, S. & Hintenberger, G. (2020). Onlineberatung und –therapie in Zeiten der Krise. Ein Überblick. e-beratungsjournal.net, 16, 33–45.

Kupfer, A. & Mayer, M. (2019). Digitalisierung der Beratung. Onlineberatung für Kinder und Jugendliche und die Frage nach Möglichkeiten des Blended Counseling in der Kinder- und Jugendhilfe. Soziale Passagen, 11, 243 –265

Weinberg, H. (2020). Vom Stuhlkreis zum Bildschirm – Online-Gruppenpsychotherapie. Gruppenpsychother. Gruppendynamik, 56, 178–184.

Wenzel, J., Jaschke, S. & Engelhardt, E. (2020). Krisenberatung am Telefon und per Video in Zeiten von Corona. Fachgruppe Onlineberatung und Medien der DGSF. Abgerufen: https://www.dgsf.org/ueber-uns/gruppen/fachgruppen/online-beratung

Maga Hedwig Wölfl (die möwe) und Maga Caroline Culen (Liga für Kinder und Jugendgesundheit)
Podiumsdiskussion „Versorgung – Gelungenes und weitere Herausforderungen“