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Ein Plädoyer gegen die (un)g'sunde Watschn und für gewaltfreie Erziehung

Die so typisch österreichische wie unselige Wortkombination von gesund und Watschn zeigt, wie tief diese Form der Gewaltanwendung in Erziehung und Beziehung bei uns verankert ist. Es wird so getan, als könnte Gewalt einen richtigen Erziehungseffekt haben oder sogar dazu beitragen, ein besserer oder tüchtigerer Mensch zu werden.
Doch um es gleich zu Beginn ganz deutlich zu machen: Gewalt ist nicht okay. Niemals!

Gewalt gegen Kinder hat viele Gesichter

Ob Ohrfeige, Watschn, Tachtel oder Tetschn – jede Form der Schmerzzufügung verletzt nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Es ist eine Handgreiflichkeit, eine Machtdemonstration und ein massiver Eingriff in die Intimsphäre. Der oder die Geschlagene fühlt sich bloßgestellt und gedemütigt. Doch nicht nur Taten, sondern auch abwertende oder beschämende Worte richten großen Schaden an. Die Psyche leidet und oft sind auch kognitive Fähigkeiten mit beeinträchtigt. Schläge, regelmäßige Demütigungen oder Vernachlässigung – ob bewusst oder unbewusst – sprich alles, was einem Kind Schaden zufügt, ist als Gewalt zu betrachten. Wird die Gewalt von Personen ausgeübt, welche die Kinder eigentlich schützen sollten, ist es besonders schlimm für die Betroffenen, weil das Zuhause kein sicherer Ort mehr ist. 
„Wenn der Vater die Mutter schlägt, trifft er das Kind.“ (vgl. Kavemann, 2013) - Oft sind Kinder auch indirekter Gewalt ausgesetzt, denn sie sehen/hören/fühlen Gewalt an anderen. Für das Kind hat die Zeugenschaft von Gewalt die gleichen Folgen wie selbsterlebte Gewalterfahrung. Meist handelt es sich bei den Opfern häuslicher Gewalt um Familienmitglieder, wie Elternteile, Geschwister oder andere nahestehende Personen.

Gravierende Folgen des Gewalterlebens sind möglich

Je öfter ein Kind Gewalt erlebt, desto wahrscheinlicher sind potenzielle negative Folgen für die Gesundheit im Erwachsenenalter. Rauchen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Totgeburten, psychische Krankheiten, Leber-, Herz-, Krebs- oder Lungenerkrankungen sind nur einige der möglichen Auswirkungen auf Körper und Geist. Angst, Schuld und Scham sind die begleitende Gefühle im Leben eines Kindes, das Gewalt erlebt hat – ob direkt oder indirekt. Zusätzlich führt Gewalt zu massiven Loyalitätskonflikten und einem nahezu unwiederbringlichen Vertrauensverlust gegenüber dem Erwachsenen, der die Gewalt ausgeübt hat, und gegenüber Erwachsenen im Allgemeinen. Sie werden nicht mehr als schützende Personen wahrgenommen. Gewalt und Missbrauch geschehen meist im Verborgenen und hinterlassen bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen – oft nicht sichtbare – Spuren.

Gewalt in der Erziehung ist in Österreich nach wie vor präsent

In Österreich wurde bereits im Jahr 1989 das Gewaltverbot in der Erziehung eingeführt. Doch obwohl nun bereits seit mehr als 30 Jahren die Gewaltanwendung in der Kindererziehung sogar gesetzlich untersagt ist, gibt es noch viel zu tun, wie die folgenden erschreckenden Ergebnisse belegen:
Eine Studie des Gallup-Instituts für die möwe aus dem Jahr 2020 zeigt, dass rund ¾ der befragten Österreicher*innen gewaltfreie Erziehung als ideale Erziehungsform ansehen. Psychische Gewalt wird von vielen überhaupt nicht als Gewalt wahrgenommen.
Jede 3. Person in Österreich hat als Kind körperliche Gewalt erfahren, etwa jede 5. Person psychische Gewalt. Nach wie vor bewertenauch heute nur rund die Hälfte der Österreicher*innen eindeutig als Gewalt, wenn eine Mutter oder ein Vater dem Kind eine Ohrfeige gibt. Mehr als 20 % der Befragten halten leichte körperliche Bestrafung sogar für notwendig in der Erziehung und stufen diese als nicht bedenklich ein.

Erwachsene müssen Vorbilder sein

Die Verantwortung für den Schutz von Kindern vor Gewalt und Missbrauch tragen immer die Erwachsenen. In der gewaltfreien Erziehung haben körperliche Strafen, Abwertungen, Drohungen und Liebesentzug keinen Platz. Gewaltfreie Erziehung setzt auf klare Regeln, Informationen und konsequentes Handeln statt auf Bestrafungen. Grenzen sind sinnvoll – wenn sie erklärt werden und für Kinder nachvollziehbar sind. Kinder sind KEINE kleinen Erwachsenen und müssen kindgerecht und entwicklungsgemäß behandelt werden. Lob, Anerkennung, Interesse und Respekt sind wichtige Begleiter, um Kinder in ihrer Welt abzuholen und für ihr Wohlbefinden zu sorgen. Kinder brauchen Vertrauenspersonen, die ihnen zuhören, die Signale richtig einordnen können und ihnen helfen. Wenn Kinder den Sinn einer Regel oder Forderung verstehen und die Folgen des eigenen Verhaltens abschätzen lernen, werden sie sich mit der Zeit aus eigenem Antrieb heraus an die Vorgaben halten – ganz ohne Gewalt.

Gemeinsam gegen Gewalt

Durch die Erfahrung aus 30 Jahren versorgender Kinderschutzarbeit sowie  Präventionsarbeit in Schulen und Beratung von Organisationen, die ihre Strukturen und Abläufe an Kinderrechten und Kindeswohl ausrichten wollen, können wir  ein breites Spektrum an Aus- und Weiterbildung für Eltern und Fachpersonal anbieten.

„Wir haben das Ziel, möglichst vielen Personen, die in ihrem Alltag mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, Kinderschutzthemen zugänglich zu machen, aufzuklären und zu informieren. Seien es Eltern, Bezugspersonen, Organisationen, Schulen oder Fachpersonal. Denn Kinderschutz gelingt nur gemeinsam!“, erläutert Maga Hedwig Wölfl, Geschäftsführerin und fachliche Leiterin der möwe.

Es braucht den Mut schützender Erwachsener hinzuschauen, zuzuhören und zu handeln. Gemeinsam geben wir Gewalt keine Chance!


Weiterführende Informationen:
https://die-moewe.at/spuren
https://www.die-moewe.at/de/pressemeldung/aktuelle-studie-gewalt
https://die-moewe.at/de/event/gewaltfreie-erziehung-4
https://www.gewaltinfo.at/